Die Rückkehr der Bürger*innenwissenschaft

Wie Citizen Science die Wurzeln der Forschung neu entfacht

Die Geschichte der Wissenschaft ist geprägt von Expert*innen und Institutionen, die das Feld beherrschten. Doch in den Anfängen der Wissenschaft waren es Amateur*innen, die die Grundlagen legten, bevor die Akademisierung einsetzte. Heute ermöglichen die Kombination aus Citizen Science, Web 2.0 und der Open-Access-Bewegung noch mehr Menschen an der Wissenschaft teilzunehmen und somit zu den Wurzeln zurückzukehren. Sie sammeln Daten, analysieren sie eigenständig und veröffentlichen sogar ihre Ergebnisse.

Citizen Science beschreibt hierbei die Teilnahme von Menschen an wissenschaftlichen Prozessen, die nicht institutionell verankert sind im Wissenschaftsbereich. Dabei reicht die Beteiligung von der kurzzeitigen Datenerhebung bis hin zum intensiven Engagement in einem Forschungsthema. Eine akademische Ausbildung ist keine Voraussetzung, aber die Einhaltung wissenschaftlicher Standards und Transparenz sind von großer Bedeutung.

Ein Mann clickt durch ein Teleskop in die Ferne
c iStock, bari paramatra

Funkelnde Wissenschaft statt verstaubter Theorien

In Österreich unterstützt das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Schule und Gesellschaft durch das Zentrum für Citizen Science des OeAD. Das Forschungsprogramm "Sparkling Science" ermöglicht seit 2007 Projekte, bei denen Wissenschaftler*innen gemeinsam mit Schüler*innen an Forschungsprojekten arbeiten. So wurden beispielsweise der Einfluss von Stadtbäumen auf den Klimawandel erforscht und eine Ausstellung über die europäische Sklaverei konzipiert. Insgesamt haben rund 108.000 Personen aus 200 Forschungseinrichtungen und 535 Schulen an diesen Projekten teilgenommen. Das Programm wurde mit fast 35 Millionen Euro gefördert und wurde unter dem Namen "Sparkling Science 2.0" weitergeführt.

Darüber hinaus wird jedes Jahr der Citizen Science Award verliehen, bei dem engagierte Citizen Scientists ausgezeichnet werden. Dieser Award wird vom OeAD-Zentrum für Citizen Science organisiert, welches in dieser Rolle als Informations- und Beratungsstelle fungiert.

Die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Einzelpersonen und Forschenden bietet Vorteile für alle Beteiligte. Schulen und interessierte Einzelpersonen können die Forschung hautnah erleben und an konkreten Projekten mitarbeiten. Gleichzeitig können Forscher*innen in Echtzeit neue Erkenntnisse testen und gewinnen. Durch diese Verzahnung profitieren sowohl die Forschenden wie auch die engagierte Zivilbevölkerung von der Zusammenarbeit.

Ein österreichisches Netzwerk der Neugier und Entdeckung

Eine andere Initiative, Österreich forscht, das Citizen Science Network Austria (CSNA) und die dazugehörige Onlineplattform, haben seit ihrer Gründung im Jahr 2014 und 2017 eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen. Das Netzwerk, bestehend aus Institutionen aus den Bereichen Wissenschaft, Forschung, Bildung und Praxis, verfolgt ehrgeizige Ziele: die Etablierung und Stärkung von Citizen Science in Österreich sowie die Förderung seiner Qualität und Bekanntheit. Die Koordination des Netzwerks liegt in den Händen der Universität für Bodenkultur Wien. Ursprünglich als Infoportal gestartet, wurde die Plattform mit der Gründung des CSNA erweitert, um den wachsenden Bedürfnissen des Netzwerks gerecht zu werden. Sie beherbergt jetzt auch die Arbeitsgruppen des Netzwerks sowie offene Ausschreibungen für Förderungen, Jobs und Konferenzen.

Auf der Plattform arbeiten verschiedenste Personen und Institutionen gemeinsam, mit gegenseitiger Wertschätzung und Offenheit, und verändern dadurch die Art und Weise, wie Wissenschaft in Österreich gedacht und gelebt wird. Jeder Mensch soll die Möglichkeit haben, Wissenschaft als Werkzeug zu verstehen und es zu friedlichen Zwecken anzuwenden, um gemeinsam den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu begegnen. Österreich forscht ermöglicht allen Menschen den Zugang zur Wissenschaft, denn jeder kann Teil eines Forschungsprojekts sein.

Frauen treiben innovative Studie zur Verbesserung ihrer Gesundheit voran

Eine aktuelle Entwicklung ist die Vergabe des ersten Citizen Science-Preises der Europäischen Kommission. Die belgische Initiative "Isala" erhielt diese Auszeichnung für ihre Bottom-up-Forschungsinitiative, die sich mit dem Mikrobiom im Vaginalbereich befasst. Benannt nach der ersten Ärztin Belgiens, Isala van Diest, zielt das Projekt darauf ab, Krankheitsbilder früher zu erkennen und bessere Therapien abzuleiten. Ursprünglich wurden 200 Frauen eingeladen, an der Studie teilzunehmen, doch die Resonanz übertraf alle Erwartungen. Innerhalb weniger Tage meldeten sich mehr als 5.500 Frauen, von denen schließlich 275 für die langfristige Studie ausgewählt wurden.

Die Auszeichnung des Citizen Science-Preises und die Vielzahl von Projekten und Initiativen zeigen, dass Citizen Science eine bewegende und inspirierende Kraft ist. Sie ermöglicht es Menschen, ihre Neugier und Leidenschaft für die Wissenschaft auszuleben und aktiv an Forschungsprozessen teilzuhaben.

Citizen Science ist mehr als nur eine Rückkehr zu den Anfängen der Wissenschaft. Es ist eine Bewegung, die Menschen zusammenbringt, um gemeinsam neue Erkenntnisse zu gewinnen und Lösungen für komplexe Probleme zu finden. Die Begeisterung und das Engagement der Citizen Scientists sind ein Beweis dafür, dass Wissenschaft nicht nur den Expert*innen vorbehalten ist, sondern jedem offensteht, der*die sich dafür interessiert. In einer Welt, die zunehmend von Kooperation und Partizipation geprägt ist, bietet Citizen Science eine Möglichkeit, die Wissenschaft wieder in die Hände der Menschen zu legen und gemeinsam die Zukunft zu gestalten.

25.05.2023