Nachhaltige digitale Technologien

Was hinter dem vermeintlichen Schlagwort steckt

Nachhaltigkeit und digitale Technologien: Kann das eine mit dem anderen einhergehen? Oder handelt es sich bei nachhaltiger digitaler Technologie lediglich um ein Schlagwort?
Ob des hohen Energieverbrauchs digitaler Technologien, ersichtlich etwa am Beispiel KI und Prompting, stellen sich Nutzer*innen digitaler Technologien diese Frage zurecht. Nachfolgend der Versuch einer Klärung mit Bezugnahme auf die Rolle(n) des Hochschulwesens.

Ein Wasserglas mit Blatt steht neben einem Laptop

Nachhaltige (digitale) Technologien: Definition und Einsatz

Nachhaltige Technologien beziehen sich im weiteren Sinne auf technologische Lösungen, die Ressourcennutzung optimieren, bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen unterstützend wirken und Umweltbelastungen reduzieren. Mit nachhaltigen digitalen Technologien sind wiederum digitale Geräte, Systeme und Ressourcen gemeint, die bei der Erstellung, Speicherung und Verwaltung von Daten helfen und die vorhin genannten Voraussetzungen erfüllen. Ein Beispiel dafür sind etwa digitalisierte Sortieranlagen in der Abfallindustrie oder intelligente Stromnetze, sogenannte Smart Grids.

Wie kann man dies nun auf den Hochschulkontext umlegen? Vordergründig kann hier zwischen zwei Ebenen unterschieden werden:

  • Der Einsatz digitaler Technologien im Universitätsbetrieb (Verwaltung) und in der Forschung

Hochschulen haben als öffentlich finanzierte Institutionen eine gewisse Vorbildfunktion. Daher ist es naheliegend, dass auch im Universitätsbetrieb digitale Technologien zum Einsatz kommen, die zur Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen beitragen. Im Falle von Österreichs Universitäten ist „Klimaneutralität ab spätestens 2035“ als strategisches Ziel festgeschrieben.

Ein konkretes Beispiel stellt die Hochschulverwaltung dar, in der digitale Tools zum Einsatz kommen und den Papierverbrauch senken, etwa im Recruiting oder anderen Aufgaben des Personalwesens. Nicht gerade irrelevant, wenn man bedenkt, dass die österreichische Papierindustrie allein im Jahr 2020 16.000 GWh an Energiebedarf (Strom + Dampf) zu verrechnen hatte und damit zu den energieintensivsten Industrien des Landes zählt. Wobei hier auch beachtete werden muss, dass im Gegenzug mehr als 100 000 Haushalte durch die Papierindustrie mit Strom und Fernwärme versorgt werden und das Potential industrieller Abwärme noch nicht voll ausgeschöpft wird.

Zum ebenfalls sehr energieintensiven Forschungsbetrieb ist es schwieriger, Zahlen zu nennen. Noch gibt es keine hochwertigen Studien, die Erkenntnisse über den Nachhaltigkeitseffekt insbesondere großer digitaler Forschungsinfrastrukturen zulassen. Jedoch sollte man auch „indirekte“ Nachhaltigkeitseffekte digitaler Technologien im Forschungsbetrieb nicht außer Acht lassen. Digitale Technologien wie etwa digitale Zwillinge mit integrierter KI sind eine große Stütze bei der Erhebung, Speicherung und Analyse von Daten, etwa in der Agrarforschung und ebnen dafür den Weg in eine ressourceneffizientere Landwirtschaft. Ein weiteres Beispiel ist die Klimaforschung, in der unzählige Satellitenbilder ausgewertet werden müssen.

Sprich: Die oft gerügte energieintensive künstliche Intelligenz reduziert in diesen Fällen vielleicht nicht den Energieverbrauch an sich, unterstützt Forschende jedoch dabei, Daten zu generieren, die uns dabei helfen, effizienter mit natürlichen Ressourcen umzugehen und Klima besser zu verstehen – und damit in Zukunft besser schützen zu können.

  • die Rolle von Hochschulen als Entwickler*in nachhaltiger digitaler Technologien und Lehrbetrieb

Hochschulen haben als Forschungs- und Lehrbetrieb die Aufgabe, nachhaltige (digitale) Technologien zu erforschen, zu entwickeln und das dazu benötigte Wissen an Studierende und damit an zukünftige Fachkräfte weiterzugeben. Dazu gehört, an Hochschulen entsprechende Forschungsschwerpunkte zu setzen, Studiengänge mit Nachhaltigkeitsschwerpunkt anzubieten und auch in bereits vorhandenen Studiengängen, etwa in Studiengängen wie Industrial Data Science oder im Informatikstudium, Raum für Nachhaltigkeitsthemen zu schaffen. Dass dies fruchten kann, bewies ein Studierender der ETH Zürich. Dieser entwickelte einen Algorithmus, der die Rodung von Wäldern des Regenwaldes vorhersagt. Die Berechnung erfolgt anhand zeitlich aufeinanderfolgender Luftaufnahmen.

Ein weiteres Beispiel, wie Nachhaltigkeitsforschung an Universitäten Mehrwert für Wirtschaft und Gesellschaft schaffen kann, bildet die Dissertation von Magdalena Rusch (Universität Graz). Sie zeigte auf, wie Künstliche Intelligenz, Big Data, Blockchain und das Internet der Dinge bei der Nachhaltigkeitsbewertung von Produkten, etwa von Autobatterien, unterstützen können.

Foto einer bewaldeten Landschaft
KI kann dazu beitragen, zum Schutz der Wälder beizutragen, wie ein Studierender an der ETH Zürich bewies. c Warren Brasse, unsplash

Studienlage mit ABER

Um nochmals auf die grundsätzliche Vereinbarkeit von Digitalisierung und Nachhaltigkeit einzugehen: Schaut man sich eine Auswahl aktueller Analysen und Studien an, lautet die Antwort: Grundsätzlich ja. Eine Metastudie der Technopolis GmbH und des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Auftrag des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung ergab (Stand: Februar 2024) folgendes: Investitionen in digitale Technologien könnten in Bezug auf eine Treibhausgasreduktion lohnend sein. Auch eine Analyse der Austrian Energy Agency klingt vielversprechend und zeigt, dass durch die Digitalisierung sogar Energie gespart werden kann: Bis zum Jahr 2040 könnten in Österreich bis zu 28,4 Terawattstunden durch digitale Anwendungen eingespart werden. Die Autor*innen nennen jedoch ein großes ABER: Die Schaffung einer nachhaltigen, digitalen Zukunft kann nur mit dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern gelingen. Zudem fehlt es noch an aussagekräftigen Studien zu möglichen Rebound-Effekten.

Wie die genannten Beispiele zeigen, handelt es sich bei nachhaltigen (digitalen) Technologien um mehr als nur ein Schlagwort. Jedoch braucht es insbesondere in Sachen Energieverbrauch noch mehr um zu verhindern, dass sich gut gemeinte Investitionen in digitale Technologien als Fallen herausstellen.

    Franziska Pronneg, 29.04.2024