Von analog auf digital mit ePAS+

Neue Wege für Recruiting und Berufungsmanagement

Wer die besten Köpfe will, muss Köpfchen beweisen. Dass es in Zukunft nicht leichter wird, qualifiziertes Personal zu bekommen, war auch der TU Graz klar. Daher wurde 2019 mit dem Projekt ePAS+ ein besonders herausfordernder Change-Prozess eingeleitet: Das Bewerbungs- und das Berufungsverfahren von der analogen in die digitale Hemisphäre zu befördern.

Das Ziel des Projekts war die Erleichterung des Arbeitsalltags für alle in den Besetzungsprozess involvierten Personen. Gleichzeitig wollte man mit einem neuen Bewerbungsportal den Bewerbungsprozess für Bewerber*innen niederschwelliger und transparenter gestalten. Zentrale Anforderungen dafür lauten: E-Mailverkehr reduzieren und Kommunikationswege verkürzen. Um seine Position soll bei diesem Digitalisierungsprozess nur ein langjähriger Mitarbeiter fürchten müssen: das Druckerpapier.

Von der Theorie…

Wie diesen Anspruch nun in die Tat umsetzen? Das Projektteam stand am Beginn vor dem altbekannten Problem, Theorie und Vorschriften in Hülle und Fülle vorzufinden. Betroffen sind dabei insbesondere der Datenschutz, die Datensicherheit sowie weitere Richtlinien, die berücksichtigt werden müssen. Dafür eine technische Lösung und einen gangbaren Weg für alle Beteiligten zu finden, stellte die große Herausforderung dar. Die Rahmenbedingungen für die technische Umsetzung waren dagegen klar: Dadurch, dass es sich um ein vom BMWBF mitfinanziertes Projekt handelte, musste das Tool open-source-basiert sein. Der Hintergrundgedanke war kollaborativer Natur: Der Code soll hochschulübergreifend zugänglich sein und weiterentwickelt werden, damit laufend eine optimale Lösung für alle zur Verfügung steht.

Die Programmierung dagegen wurde ausgelagert und nach einer europaweiten Ausschreibung an das Grazer Unternehmen Parkside vergeben. Für Parkside war es die erste Zusammenarbeit mit einer Hochschule überhaupt. Auch bedingt durch universitätsinterne Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse dauerte es daher ein wenig, bis sich die Zusammenarbeit zwischen dem Projektteam der TU Graz und dem Unternehmen  eingespielt hatte, vor allem, da alle sieben Fakultäten und 21 Serviceeinrichtungen von Betroffenen zu Beteiligten gemacht werden sollten.

Ein Projekt mit so vielen Stakeholder*innen macht eine gute Vorbereitung unabdinglich. Die Projektvorbereitungsphase inklusive Ausschreibung nahm ein Jahr und neun Monate in Anspruch. Punkt 1 und 2 auf der Checkliste: eine Stakeholder*innenanalyse und eine detaillierte Prozessanalyse.  Das Projektteam erhielt so einen Überblick über die zu digitalisierenden Abläufe.
Weiters war viel klare und transparente Kommunikationsarbeit notwendig. Hilfestellung leistete unter anderem die Servicestelle Verwaltung-Information-Service (VIS), die bei der Informationsarbeit und dem Finden der richtigen Ansprechpartner*innen unterstützte. Es folgten Besprechungen und Workshops mit allen Dekanaten, Abstimmungen mit Organen wie dem Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen, dem Zentralen Informatikdienst und der Datenschutzkoordination.  Schließlich gab es im Voraus reichlich Fragen zu klären: Wie niederschwellig darf das Bewerber*innenportal einer Hochschule aufgebaut sein? Was soll ein Pflichtfeld sein, was nicht? Ist es notwendig, heutzutage noch Motivationsschreiben einzuholen? Welche Felder sind für einen Stellenantrag zwingend notwendig? Wo braucht es strenge Regeln und wo technische Flexibilität bei der Handhabung des Tools?

Besonders knifflig wurde es, als es um die komplexe Rollen- und Berechtigungsstruktur in Berufungsprozessen geht, in der einer Person zumeist mehrere Funktionen bzw. Rollen zugewiesen sind. Wie schafft man es, ein Rollenkonzept zu finden, das von allen Beteiligten akzeptiert wird und der technischen Umsetzung nicht im Wege steht?

Bei der Suche nach Antworten und Lösungen für all diese Fragen war viel Überzeugungsarbeit, Geduld und Empathie nötig. Es galt, zu Entscheidungen zu gelangen, welche die Sichtweisen von Hochschulangehörigen sowie jene der Bewerber*innen bestmöglich miteinbeziehen. Und natürlich technisch umsetzbar sind.

… zur digitalen Lösung

Die Reise zur digitalen Hemisphäre war eine Herausforderung. Es galt, über den Tellerrand hinauszublicken, um adäquate Lösungen für alle Beteiligten zu finden. Das Projektteam meisterte die Herausforderung mit Bravour: Nach einer langen Vorprojektphase war man schon fast am Äquator angelangt und es ging ans Programmieren. Bereits ein halbes Jahr nach dem Programmierstart ging das elektronische Personalabteilungsservice (ePAS+) in die erste Testphase. Nun waren die User*innen und Endnutzer*innen an der Reihe, das Tool auszuprobieren und Feedback zu geben. In einer weiteren intensiven Testphase wurde das Tool ein zweites Mal auf die Probe gestellt, bis das Bewerbungsmanagement im November 2022 in den Produktivbetrieb übernommen wurde. Das Berufungsmanagement ging Anfang April 2023 in den Pilotbetrieb.

Auch wenn es etwas Zeit zur Eingewöhnung und Unterstützung brauchte, wurden die Erleichterungen im Arbeitsalltag schnell sichtbar. Mit ePAS+ sind Bewerbungen sofort und mitsamt aller benötigten Beilagen im System ersichtlich. Alle beteiligten Stellen – Dekanate, Institute sowie Organe – können das Verfahren jederzeit einsehen. So werden Rück- und Anfragen in Form von langen E-Mails überflüssig.  Übermittlungsprobleme von Beilagen per Mail gehören ebenso der Vergangenheit an. Natürlich wurden auf die Fragen bezüglich der Rollen- und Berechtigungsthematik bei Berufungen ebenso Antworten gefunden. Die Lösung bildet ein Steuerungsdashboard, das zentral von der Berufungskommission gesteuert wird und in dem über ein „Cockpit“ Berechtigungen vergeben werden können. Es wurde außerdem das sogenannte Verursacherprinzip eingeführt: Bei Fehlern und Unklarheiten wandern Dokumente direkt zur verantwortlichen Stelle zurück. Damit wird verhindert, dass auf bereits unterschriebenen, ausgedruckten Dokumenten Änderungen vorgenommen werden müssen. Das gute alte Druckerpapier wurde somit wie geplant in den Ruhestand geschickt.

Auf Wiedersehen Papier -
auf Wiedersehen altes Mindset

Die zahlreichen Änderungen durch die Einführung von ePAS+ führten natürlich auch zu einem Shift in der Arbeitskultur. Eine solche Veränderung gewohnter Arbeitsabläufe wird natürlich nicht immer mit Freuden aufgenommen. Hier zeigte sich, dass es nicht immer leicht ist, „Never change a running system“-Mindsets zu ändern. Widerstände und Kommentare als nichtig abzutun, erschien dem Projektteam jedoch nicht als der richtige Weg. Deshalb wurde bei der Umsetzung von ePAS+ stets das Gespräch mit den Betroffenen gesucht.

Hochschulübergreifend neue Wege gehen

An der TU Graz hat man es nicht nur geschafft, ein neues Tool einzuführen, sondern auch einen Meilenstein in der Digitalisierung des Recruitings und des Berufungsmanagements an Österreichs Hochschulen zu setzen. Der Sourcecode von ePAS+ wird wie geplant unter einer Open Source Lizenz allen österreichischen Hochschulen zur Verfügung gestellt. An der Implementierung des Tools an anderen Hochschulen wird bereits intensiv gearbeitet.

Die TU Graz ist in der digitalen Hemisphäre angekommen. Sie wird dort als Hochschule nicht lange alleine sein und auch die besten Köpfe werden bald nachfolgen. Der Weg ist geebnet.