Initiative: HR4u:

Ein neues Rückgrat für die Universität Wien

Effiziente Zeiterfassung und eine funktionierende Abrechnungssoftware sind für jede Institution von entscheidender Bedeutung. An der Universität Wien wurden rund 10.000 Mitarbeiter*innen in unterschiedlichen vertraglichen Strukturen über ein universitätsintern entwickeltes System verwaltet. Die maßgeschneiderte Lösung hat lange gut funktioniert, irgendwann stößt trotzdem jede Software an ihre Grenzen.

Nach einem umfassenden Beratungs- und Vergabeprozess hat sich die Leitung der Universität Wien für eine SAP-Lösung entschieden. Dieses System deckt nach objektiven Kriterien die gewünschten Anforderungen am besten ab, die Arbeit fängt hier aber erst so richtig an. Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Person an der Universität Wien ist in drei unterschiedlichen Rollen beschäftigt (Universitätsassistentin Praedoc, Projektmitarbeiterin Praedoc, Lehrende), die natürlich unterschiedlich entlohnt werden. Keine fertige Software der Welt ist diesen Anforderungen gewachsen, sie muss um die neuen Logiken erst erweitert werden.

Für eine IT-Lösung dieser Größenordnung braucht es zudem ein wohlüberlegtes Projektmanagement. Die Welt der Universität muss mit der Welt von SAP zu einer Einheit verschmelzen. Jurist*innen und Personalreferent*innen lernen die Hochschulanforderungen in Programmierlogiken zu übersetzen. Programmierer*innen müssen bisher unbekannte Abläufe begreifen und entsprechend implementieren. Jede Änderung zieht eine Kette weiterer Änderungen und neuer Tests nach sich. Und ein Start ist bei SAP immer nur zu einem 1. Jänner möglich, funktioniert es technisch nicht, muss die Implementierung um ein Jahr verschoben werden.

Ohne Change Management ist in so einem Setting eine (kleine) Katastrophe vorprogrammiert. Schließlich sind die Mitarbeiter*innen der Universität Wien nach wie vor für ihre bisherigen laufenden, d.h. ‚eigentlichen Aufgaben‘ verantwortlich, das neue Projekt ist eine zusätzliche Herausforderung. Dieser Faktor wird in IT-Projekten oft nicht entsprechend berücksichtigt.

Change Management mobilisiert die Menschen

Wichtig ist in einem ersten Schritt, dass man Projektmanagement (PM) und Change Management (CM) klar voneinander trennt. Wo PM sich um die unzähligen Details und die Technik kümmert, bewahrt CM die Vogelperspektive und konzentriert sich, neben den Prozessen, auch und vor allem auf die Menschen im Projekt.

Wer die Kultur und Dynamik einer Institution verändern oder weiterentwickeln will, ist oft mit Widerstand konfrontiert. Veränderungen schrecken oft ab, gelernte Überzeugungen lassen sich nicht über Nacht ersetzen und Neuerungen brauchen Zeit, um akzeptiert zu werden. Wahrscheinlich hat CM auch deshalb für einige von uns einen negativen Beigeschmack, weil es oft (wenn auch nicht ausschließlich) dort zum Einsatz kommt, wo etwas nicht (mehr) gut funktioniert. Dieses Image wird dem Nutzen von gut implementiertem und weitsichtigem CM allerdings nicht gerecht.

Veränderungsprozesse richtig begleiten

Beim Projekt ‚HR4u:‘ wurde von Anfang an die Relevanz des CM erkannt. Federführend kompetente Mitarbeiter*innen der Universität Wien wurden eingesetzt, die interne Abläufe seit vielen Jahren kannten und bereit waren, sich das nötige Zusatzwissen anzueignen. Es wurde also, zusätzlich zur grundlegenden Projektstruktur mit Rollen und Verantwortlichkeiten im PM, ein eigener Zuständigkeitsbereich für Change und Kommunikation geschaffen. Die intrinsische Motivation der zuständigen Mitarbeiter*innen und deren Wunsch, sich weiter in die Möglichkeiten des CM zu vertiefen, wurden von der Universität Wien nach Kräften unterstützt. Durch gezielte Weiterbildung war es leichter, auf Methoden und Tools zuzugreifen oder sie für das spezielle Setting der Hochschule zu adaptieren.

In der Praxis sind für das CM viele unterschiedliche Fähigkeiten gefordert. Am wichtigsten ist die Bereitschaft zur Flexibilität und zum gemeinsamen Gestalten. Ein Projekt ist ein lebendiges System, das am besten funktioniert, wenn man ihm ausreichend Raum schafft und so weit wie möglich das Positive am Neuen in den Mittelpunkt rückt. In der Kommunikation ist der Fokus auf Offenheit und Ehrlichkeit entscheidend. Wenn etwas nicht funktioniert, muss es besprochen werden dürfen. Das geht weit über die technische Ebene hinaus. Der Schlüssel zum Erfolg der Begleitung durch CM liegt in den Räumen, die für Austausch und Information geschaffen werden.

Im Projekt ‚HR4u:‘ wurde ein ganzes Netz an Informationsformaten für die verschiedenen Zielgruppen an der Universität Wien ins Leben gerufen. Im Rahmen des CM wurden fünf zentrale Themenfelder der Transformation definiert: Information und Kommunikation; Knowhow-Transfer; Service und Support; Reflexionsräume; Strategieentwicklung und Planung. Über die gesamte Projektlaufzeit hinweg wurden und werden regelmäßig unterschiedliche Kanäle bedient, um über den Status Quo und die entscheidenden nächsten Schritte zu informieren sowie für Fragen der Universitätsmitarbeiter*innen zur Verfügung zu stehen.

Ein Beispiel: Von Anfang an luden die CM Verantwortlichen die Projektbeteiligten zu regelmäßigen Terminen ein. Bereits nach dem ersten dieser Termine war klar, dass hier keine technischen Inhalte diskutiert werden, sondern die guten und schlechten Erfahrungen im Arbeitsprozess wichtig genommen werden. Das führte über die Projektlaufzeit dazu, dass sich rund 20 Menschen trotz sehr hoher Arbeitsauslastung regelmäßig Zeit für diese offenen Gespräche nahmen. Auf dieser vertrauten Basis wuchs über das Projekt eine fruchtbare Zusammenarbeit, die ein entscheidender Faktor für den erfolgreichen Projektabschluss sind.

Anpassen an die Wirklichkeit

Im Nachhinein betrachtet, war der Plan für die Einführung des neuen Systems wohl durchdacht und richtig ausgearbeitet, die Realisierung ging aber nicht in jedem Punkt entsprechend auf. Das liegt an vielen Faktoren, auf die man in einem Projekt tatsächlich wenig Einfluss hat: Die richtigen Expert*innen sind zum gegebenen Zeitpunkt nicht wunschgemäß verfügbar. Oder eine globale Pandemie macht das gemeinsame Testen vor Ort unmöglich…

Gerade hier kann CM mit Weitblick Menschen aktivieren. Im Team gelingt es leichter, Kompromisse zu finden, Entscheidungen zu treffen, Probleme aus dem Weg zu räumen oder mit dem besser umzugehen, was sich nicht aus dem Weg räumen lässt. Eine Investition in CM und die Entscheidung für Ressourcen in Form von Zeit und Geld rentiert sich.

Die Erfahrungen aus diesem umfangreichen CM Prozess nutzen wir nachhaltig. Wenn wir in einem technischen Projekt den Fokus auf die Menschen in der Organisation nicht verlieren, wird die Haltung deutlich konstruktiver. Die Suche nach Lösungen bekommt mehr Raum und Energie, als die Suche nach Problemen.

Die wichtigste Erkenntnis aus den verschiedenen Projekterfahrungen:

„Mit gut durchdachtem Change Management schaffen wir positive Veränderung für die Zusammenarbeit, damit für die Universität und so auch für die Gesellschaft insgesamt. Wir müssen uns nur auf die Veränderung einlassen wollen.“

Eine Kurzpräsentation des HR4u: Change Managements (präsentiert im Rahmen des 3. Interuniversitären Netzwerktreffens) finden Sie hier.