Wissenschaftskommunikation

Mehr als gscheit‘ reden

Stellen Sie sich folgende Situation vor:  In unterschiedlichen Medien wird ein Projekt einer technischen Universität beworben, das vor kurzem einen Förderzuschlag vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung erhalten hat. Im Fokus steht die Forschung an organischen und anorganischen Halbleitern. Hier nun ein paar fiktive Reaktionen darauf:

  • „Mama? Warum nehmen die nur halbe Leitern und keine ganzen?“ - Andreas (7), Schüler
  • „Laaaangweilig.“  - Laura (19), Maturantin, weiß noch nicht, was sie studieren soll
  •  „Warum dieses Projekt gefördert wird, kann ich nicht nachvollziehen. Da gibt es sicher genug anderes, das mehr Geld und Aufmerksamkeit verdient hätte.“ – Noah (24), Research Assistent an einer anderen technischen Hochschule
  •  „Das soll was bringen? Youtuber XYZ hat aber was anderes gesagt.“ – Thomas (17), Lehrling
  •  „Wenn die keine relevanten Ergebnisse liefern, bekommen die bei der nächsten Ausschreibung keinen Zuschlag mehr.“ – Sonja (37), Ministeriumsmitarbeitende
  •  „Davon habe ich als Steuerzahlerin ja nix. An Unis wird nur Geld zum Fenster rausgeschmissen.“ – Lisa (46), Verwaltungsangestellte

Was Sie hier sehen, stellt eine klassische Aufgabe für Wissenschaftskommunikator*innen dar, nämlich jene, auf all diese Antworten entsprechend zu reagieren oder ihnen vorzubeugen - immer mit dem Ziel, die wissenschaftlichen Themen, -projekte und -ergebnisse so zu vermitteln und zu präsentieren, dass es auch fachfremden Personen unterschiedlichen Alters und interessierten Laien verständlich und der Nutzen klar ist.

Zwei Männer blicken auf eine Tafel mit vielen gezeichneten Fragezeichen drauf
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Wissen allein ist nicht genug

Wer mit Wissenschaft Wissen schaffen will, sollte also nicht nur Forschung betreiben, sondern auch darüber sprechen. Oder schreiben. Oder einen Youtube-Kanal betreiben. Oder, wie die Science Busters, die Lachmuskeln ihres Publikums trainieren. Wissenschaftskommunikation kann unterschiedlichste Medien und Kommunikationswege nutzen. Nicht nur das macht es schwierig, den Begriff als Ganzes zu erfassen und die Fülle an Aufgaben zu listen, die Wissenschaftskommunikator*innen erfüllen. Folgend trotzdem ein Versuch.

Wissenschaftskommunikation ist so alt wie die Wissenschaft selbst. Die Methoden haben sich freilich verändert. Von klassischen Vorträgen wie schon zu Alexander von Humboldts Zeiten, Büchern und Artikeln in Tageszeitungen hat man sich entfernt und setzt auf Unterhaltung und Dialog.  Die Digitalisierung hat sich auch hier längst durchgesetzt: Neben Veranstaltungen wie den Science Slams (siehe Artikel mit Bernhard Weingartner) und Wissenschaftskabaretts haben sich längst verschiedene digitale Formate durchgesetzt. Youtube-Kanäle wie MaiLab und Wissenschaftspodcast auf Streaming-Plattformen erfreuen sich größter Beliebtheit. Mittlerweile gibt es in Österreich und im gesamten deutschsprachigen Raum wohl kaum eine Hochschule, die nicht auf Social Media vertreten ist. Hochschulen bietet dies die Möglichkeit, gegenüber einer großen Anzahl unterschiedlicher Personengruppen sichtbar zu werden, unabhängig von Zeit und Ort.

Wissenschaftskommunikation bezieht sich also schon lange nicht nur ausschließlich auf jede Form von Kommunikation, die sich auf Wissenschaft und Forschung bezieht, sondern impliziert eine Reihe verschiedenster Kommunikationsformate -und Akteur*innen.  Je nachdem, wer mit wem über Wissenschaft und Forschung spricht, kann Wissenschaftskommunikation ganz anders gestaltet werden. In erster Linie sind es natürlich Forschende und Lehrende selbst, aber auch Wissenschaftsjournalist*innen, wissenschaftliche Beiräte und Personen des öffentlichen Lebens, etwa aus der Politik, können als Wissenschaftskommunikator*innen in Erscheinung treten. Sinn und Zweck von Wissenschaftskommunikation sind abhängig von Kontext und Zielpublikum.

Ein Mann und ein Mädchen sitzen an einem Tisch. Sie tragen Nudelsiebe, die mit einem Apparat verkabelt sind. Beide lächeln.
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Hochschulen stehen hier in der Verantwortung, ihren gesellschaftlichen Auftrag – die Third Mission – zu erfüllen, welcher den Wissenstransfer und Austausch mit der Gesellschaft und der Wirtschaft im Fokus hat. Hierbei steht jedoch nicht allein die Frage „Wie funktioniert das?“  im Vordergrund. Auch die Frage nach dem „Warum“ soll hierbei eine Antwort finden. Letztlich werden öffentliche Hochschulen mit öffentlichen Geldern finanziert, was bedeutet, dass der Nutzen von Forschungsprojekten für die Gesellschaft klar und nachvollziehbar vermittelt werden soll.

Gelungene Wissenschaftskommunikation an der Hochschule braucht es besonders dann, wenn es um die Vergabe von Fördergeldern und die Bewilligung von Forschungsprojekten geht. Gegenüber Fördergeber*innen, insbesondere in Richtung Politik oder auch gegenüber Entscheidungsträger*innen der eigenen Hochschule muss vermittelt werden, worin der Nutzung der eigenen Forschungsaktivitäten steht. Die Wichtigkeit des Wie und des Warum gilt auch in der Kommunikation mit Kolleg*innen und Wissenschaftler*innen der eigenen und anderen Hochschulen sowie (zukünftigen) Studierenden. Es geht um Anerkennung der eigenen Forschung und des Forschungsbereichs, die Reputation der eigenen Hochschule sowie die damit verbundene Nachwuchsförderung.

Wissenschaftskommunikation bedeutet also weit mehr als, auf gut Deutsch gesagt, gscheit‘ daherzureden. Die Digitalisierung, insbesondere soziale Medien, birgt neben großen Chancen auch Gefahren. Leider wurde diese Thematik, wie Ulrike Felt, Wissenschaftsforscherin von der Universität Wien, anmerkt, in Österreich bisher etwas verschlafen. Man darf gespannt sein, was die Zukunft bringt und wie sich die Art, wie wir geschaffenes Wissen vermitteln und vermittelt bekommen, in den nächsten Jahren wandeln wird.

25.05.2023