Smart4Health

Gesundheitsdatenmanagement in die eigene Hand nehmen

Egal ob krank oder bei bester Gesundheit: Wir hinterlassen Spuren. Längst ist die Digitalisierung im Gesundheitssektor angekommen, etwa durch die Einführung der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA), den Online-Services der österreichischen Sozialversicherungen und aktuell mit der schrittweisen Umstellung auf das elektronische Kommunikationsservice im österreichischen Gesundheitswesen. Das Projekt Smart4Health möchte einen Schritt weiter gehen und EU-Bürger*innen eine zentralere Rolle im Management ihrer eigenen Gesundheit und ihrer Gesundheitsdaten geben.

Eine Grafik wie Menschen im Gesundheitsberufen anderen Menschen helfen.
c Universität Wien

Step 1: Be international

Umgesetzt wird dies in Form einer Plattform, die es Bürger*innen ermöglichen soll, Gesundheitsdaten und gesundheitsbezogene Daten zeit- und ortsunabhängig innerhalb der EU zu verwalten, zu teilen und auch der Forschung zur Verfügung zu stellen. Sprich, Röntgenbilder, MRT-Aufnahmen, Laborergebnisse, aber auch Messungen von Fitnesstrackern und Schrittzählern können über einen PC oder ein mobiles Endgerät von Nutzer*innen selbst auf die Plattform hochgeladen werden. Infos zu Vorerkrankungen, mögliche Allergien oder Dauermedikation können in standardisierter Form von teilnehmenden Gesundheitsinstitutionen direkt in die Plattform eingespeist werden. Im Bedarfsfall können diese dann mit Gesundheitsdienstleistern (Arztpraxen, Krankenhäuser, Physiotherapiepraxen usw.) geteilt oder der Forschung zur Verfügung gestellt werden. Koppelt man die Plattform zusätzlich an die eTranslation App, können hochgeladene Dokumente außerdem in verschiedene Sprachen übersetzt werden. Beteiligt sind neben der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Wien 18 weitere Partner*innen aus Medizin, Technologie und Industrie. Die Konsortialkoordination liegt beim portugiesischen Forschungsinstitut UNINOVA, die wissenschaftlich-technische Koordination hat das deutsche Hasso-Plattner-Institut inne.

Step 2: Listen and implement

Eine EU-weite Gesundheitsdatenplattform, auf der Bürger*innen selbstständig teils hochsensible Daten speichern und Dritten zur Verfügung stellen? Eine Vision, die heikle Fragen und Unbehagen in Bezug auf die Verwendung sowie datenschutzrechtliche Fragen aufwirft. Um die zukünftigen Nutzer*innen hier abzuholen, ist es unerlässlich, diese von Anfang in den Designprozess miteinzubinden. Von Beginn wurde auf Co-Creation gesetzt, indem Interviews, Gruppendiskussionen und Testsessions vor Ort und remote durchgeführt und deren Ergebnisse beim Aufbau und Design der Plattform berücksichtigt wurden. Dabei kamen sowohl Privatpersonen als auch medizinisches und pflegerisches Fachpersonal zu Wort. Bedenken bezüglich der technischen Handhabung und der sozialen Einbettung in bestehende wurden dabei ebenso aufgegriffen wie datenschutzrechtliche Fragen. So hielt man sich bei der Entwicklung der Plattform streng an die Privacy-by-Design-Prinzipien. Dieser Ansatz, der auch als Datenschutz durch Technikgestaltung bezeichnet wird, verfolgt das Ziel, Nutzer*innen vor Risiken für ihre Rechte und Freiheiten zu schützen, ohne die Verantwortung dafür vollständig auf sie abzuwälzen. Datenschutz wird also schon bei der Programmierung solcher Anwendungen mitbedacht. Zudem wurde die Datenfreigabe so gestaltet, dass Nutzer*innen für jedes Service der Plattform eine eigene Einwilligungserklärung abgeben und den Zugriff auf ihre Daten bewilligen müssen. Dies bedeutet: Datenzugriff gibt man Personen des Vertrauens aus dem Umfeld oder einer bestimmten Arztpraxis anlassbezogen und nicht generell. Geforscht werden kann mit den Daten außerdem nur dann, wenn Bürger*innen sich explizit dafür entschieden haben, sie der Forschung zur Verfügung zu stellen und wenn das sogenannte Datenzugriffskomitee (Data Access Committee) den Datenzugang für ein bestimmtes Forschungsprojekt genehmigt. Das bedeutet: Gewährt man den Zugriff nur Privatpersonen aus dem Umfeld oder seiner Hausärztin, können etwa Forschungsinstitutionen keine Einsicht nehmen, obwohl sich die Daten auf der Plattform befinden.

 

Step 3: Apply to real life

Zusätzlich zum verbalen Austausch und den Testsessions wurden in Deutschland, Portugal, Italien und in den Niederlanden acht sogenannte Citizen Use Cases (CUC), also praktische Anwendungsfälle mit Bürger*innenbeteiligung durchgeführt, die Beispiele aus dem realen Leben im Umgang mit Gesundheitsdaten abbilden sollen. Hiermit wird brauchbares Feedback generiert, das die Miteinbeziehung der Bedürfnisse von Nutzer*innen bei der Entwicklung garantiert. Ein Beispiel, das die Vorteile einer EU-weiten Vernetzung aufzeigt, ist der CUC Smart4Health at travel and at daily life.

Tourist*innen und der Lokalbevölkerung des portugiesischen Urlaubsorts Madeira wurden ein Rücken-Check-up und Training zur Stärkung der unteren Rückenmuskulatur sowie zur Verletzungsprävention angeboten. Die daraus generierten Daten konnten in die 4Health Plattform hochgeladen werden. Den Teilnehmenden wurde die Möglichkeit aufgezeigt, auf Reisen und in unvorhergesehen Situationen im In- und Ausland ihre Gesundheitsdaten weiterzugeben und eine bessere, auf individuelle Konditionen abgestimmte Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. In weiteren Use Cases waren u.a. Industriearbeiter*innen, Pflegepersonal auf Intensivstationen und Patient*innen mit Rückenschmerzen die Zielgruppe.

Eine gebückte Frau macht den Eindruck als hätte sie Rückenschmerzen.
c Sasun Bughdaryan, unsplash

Die Wahl auf Rückenschmerzen als Ausgangsbeschwerde wurde getroffen, da es sich um ein Gesundheitsproblem mit hoher Prävalenz handelt, das quer durch alle Alters- und Bevölkerungsschichten auftritt. Somit konnte eine diverse Auswahl an Teilnehmenden mit verschiedenen Bedürfnissen und einem unterschiedlichen Grad an Routine in der Handhabung von Gesundheitsdaten(-infrastrukturen) garantiert werden.

Step 4: Inform and educate

Manager*innen müssen mit Wissen und Kompetenzen ausgerüstet werden, unabhängig davon, ob sie für ein Unternehmen oder die eigene Gesundheit Verantwortung übernehmen. Um dies zu bewerkstelligen, wurde unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Hasso-Plattner-Institut in Potsdam eine eigene Smart4Health Moodle-Plattform mit MOOCs (massive open online courses) zu Digital Health Literacy eingerichtet. Zur Unterstützung bezüglich Anmeldung und Datenfreigabe wurden auf Youtube anschauliche Tutorials zur Verfügung gestellt. Dem Anspruch der Third Mission, Wissenschaft mit und für die Gesellschaft zu betreiben und diese weiterzubilden, wird das Projekt auf jeden Fall gerecht.