Tools und Guidelines für eine inklusive Hochschullehre

Universitäten und Fachhochschulen gestalten ihre Lehr- und Lernumgebung spätestens seit Beginn der COVID-19 Pandemie vermehrt als Online- und Blended Learning Formate. In weiterer Folge werden auch Lehrinhalte in digitalen Formaten wie PDF, Videos oder Online-Games aufbereitet. Nichtsdestotrotz sind Lehr- und Lernangebote bei weitem noch nicht inklusiv, was den Bedarf von Projekten ADORE in jüngster Vergangenheit aufzeigte. Auch die barrierefreie Gestaltung von Medien ist derzeit nicht in europäischen Hochschulcurricula von Kommunikationsstudien verankert[i]. Die verstärkte Förderung von Barrierefreiheit und Inklusion in der Lehre ist dementsprechend unerlässlich, wenn die Hochschule der Zukunft nicht nur digitalisiert, sondern auch inklusiv sein soll. Das Projekt InclUDE hatte genau dieses Ziel. 

Frei zugänglich, barrierefrei und inklusiv

Bei InclUDE, kurz für Inclusive University Digital Education, handelte es sich um eine Kooperation des Fakultätszentrums für Gebärdensprache und Hörbehindertenkommunikation der Universität Klagenfurt, der European Association of Service Providers for Persons with Disabilities (EASPD) sowie der Universitäten Wolverhampton und Rennes II. Das Herzstück des Projekts stellte ein frei zugängliches Online-Repository dar, das Tools für Lehrende zur barrierefreien und inklusiven Gestaltung ihrer Unterrichtsmaterialien und Lehrveranstaltungen sowie Software auflistet, die für Studierende mit Seheinschränkungen, Schwerhörigkeit/Taubheit und anderen Beeinträchtigungen von Nutzen ist. Teils handelt es sich um Freeware, teils um Software und Plug‑ins mit eingeschränktem Gratis-Zugang in deutscher, englischer oder französischer Sprache. Wer dort nur Neuartiges und eher Unbekanntes zu finden glaubt, wird erstaunt sein, auch Programme aus der Adobe Creative Cloud mit über 20 Millionen User*innen angeführt zu sehen. Die PDF Publishing Software Acrobat Pro verfügt über Funktionen zur Überprüfung und Optimierung von barrierefreien Dokumenten, die möglicherweise nicht weitreichend bekannt sind.

Ein Screenshot aus dem Seitenmenü der Software Adobe Reader
c Franziska Pronneg

So wird unter anderem auf fehlende Alternativtexte für Abbildungen und auf das richtige Taggen von Inhalten hingewiesen. Der Hintergrund: Screenreader für blinde und sehbehinderte Personen können ihre Funktion nur dann wie gewünscht ausführen, wenn Elemente als Text, Abbildung, Tabelle etc. als solche gekennzeichnet sind und Überschriftenhierarchien eingehalten werden.

Verwendung fördern und Standards fordern

Dass das Potenzial zum Ausbau inklusiver Hochschullehre noch nicht voll ausgeschöpft wird, zeigte eine Umfrage zu Beginn des Projekts. 40 % der teilnehmenden Lehrenden gaben an, Online-Tools für eine verbesserte Barrierefreiheit zu nützen, 60 % jedoch nicht. Von denen, die sie nicht einsetzten, wurde neben fehlendem Wissen über die Verwendung auch mangelnde Notwendigkeit als Begründung angegeben. Einerseits zeigt dies, dass Lehrende grundsätzlich das Interesse und die Bereitschaft zeigen, ihren Unterricht inklusiv zu gestalten. Andererseits besteht offensichtlich Aufholbedarf an Wissen und Fertigkeiten, was die Existenz und Verwendung von unterstützenden Tools betrifft.

Weiters fallen unter Umständen Betroffene von weniger sichtbaren Behinderungen wie Autismus-Spektrum, Dyslexie, ADHS und Erkrankungen wie Epilepsie nicht auf, weshalb deren Bedürfnisse in puncto inklusive Lehre womöglich übersehen werden. Dabei existieren hierfür bereits Tools und Maßnahmen, die Lehrenden und Studierenden Unterstützung bieten. Aus diesem Grund wurde im Rahmen des Projekts nicht nur Software, sondern auch Richtlinien und didaktische Leitfäden für die Gestaltung inklusiver Online- und Hybridlehre erarbeitet. Dort finden Lehrende Informationen zur Umsetzung von barrierefreier Lehre unter Berücksichtigung verschiedener Beeinträchtigungen. Weiters werden Gestaltungstipps für Unterrichtsmaterialien, Präsentationen sowie allgemeine Empfehlungen für die Erstellung eines inklusiven didaktischen Unterrichtskonzepts zur Verfügung gestellt.

Ein Mädchen hört Musik und sitzt dabei am Laptop
c unsplash, Christina Wocintechchat

Dazu zählen Angaben für Mindestschriftgrößen in Dokumenten und PowerPoint-Präsentationen sowie der Hinweis auf die Notwendigkeit von Textalternativen für Audioinhalte. Ebenso wird betont, dass Lösungen für Vorträge, Gruppendiskussionen und Prüfungen mit der jeweiligen Person abzustimmen sind. Auch eine Fülle an Tipps und Empfehlungen kann nicht garantieren, dass auf die individuelle Situation der Einzelperson mit Hör-, Seh- oder einer anderen Beeinträchtigung eingegangen wird.

Generell können Standards und gesetzliche Vorgaben durch Richtlinien und Leitfäden nicht ersetzt werden, wie von den Projektverantwortlichen betont wird. Daher ist neben Lehrenden vor allem die Hochschulpolitik gefragt, wenn es darum geht, inklusive Lehr- und Lernmethoden proaktiv zu fördern und zu fordern. Nur so kann die Hochschule 4.0 die uneingeschränkte Teilhabe aller Studierenden an digitalen Lernumgebungen gewährleisten.

23.03.2023