„I want to radicalize you!“

Eva Galperin zu Besuch beim #9 CS Talk

Mit diesen Eingangsworten eröffnete Eva Galperin beim neunten CS Talks der Faculty of Computer Science and Biomedical Engineering an der TU Graz ihre Rede, deren Titel die Frage „Who Deserves Cybersecurity?“ stellt. Die Frage, warum eine radikale Einstellung dem Thema gegenüber nützlich und sinnstiftend ist, erläutert Eva Galperin im Laufe des Vortrags anhand realer Beispiele, die zum Großteil aus ihrem persönlichen Erfahrungsschatz stammen.

Eva Galperin arbeitete in den Bereichen Sicherheit und IT im Silicon Valley, erwarb einen Abschluss in Politikwissenschaften sowie in Internationale Beziehungen und war auf dem Weg zu einem Jurastudium mit der Ambition, sich als Anwältin für Menschenrechte und Technologierecht zu spezialisieren. Doch bevor es soweit kam, erhielt sie eine Stelle bei Electronic Frontier Foundation (EFF), der führenden gemeinnützigen Organisation zum Schutz der digitalen Privatsphäre, der Redefreiheit und der Innovation, die sie seither nicht mehr verlassen hat. Eva Galperin beschreibt sich selber als „Hacktivistin“, die es liebt, wenn Hackattacken sich gegen sie persönlich richten – da sie so am leichtesten ausfindig und unschädlich gemacht werden können.

Eva Galperin spricht im Vortrag am Pult
c Lina Michel

Kampfgeist und Kampagnen

Ganz anders sehe die Lage aus, berichtet sie, wenn sich Malware[1] gegen Journalist*innen, anderen Aktivist*innen und private Personen richte, wie es beim arabischen Frühling der Fall war. Was den damaligen Protest, der vielmals aber nicht nur online über soziale Medien stattfand, zudem erschwerte, war die Tatsache, dass zunehmend Fälle zu beobachten waren, in denen die betroffenen Regierungen den Internetverkehr ihrer Bürger*innen ausspionierten. Dies war möglich, da er zu jener Zeit unverschlüsselt war, und so konnten immer wieder sensible Daten und Informationen, wie Passwörter und Kreditkartendetails abgefangen und gegen den*die Bürger*in verwendet werden können. Das aktivistische Team rund um Galperin setzte sich dafür ein und überzeugte letztlich die großen Tech-Companies wie Google, Facebook und Twitter, TLS (Transport Layer Security/ Transportschichtsicherheit) standardmäßig zu aktivieren.

Was während dieser Zeit zudem Galperin’s Aufmerksamkeit weckte, war die Namenspolitik, die Facebook führte, und mithilfe dieser sich bestimmte marginalisierte und bedrohte Personengruppen vermehrt in Gefahr brachten. Facebook führte damals unter dem Deckmantel des transparenten virtuellen Austausches Verfahren gegen Personen, die gefälschte Namen auf ihren Accounts verwendeten. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Jilian York hat sie die Gelegenheit am Schopf ergriffen und eine Kampagne gestartet, die die Gefahr, welcher sich Aktivist*innen, Journalist*innen und Menschen in autoritären Regimen durch den Zwang zur Verwendung echter Namen aussetzen, in das öffentliche Licht rückte.

Gerade im Bereich des virtuellen Austauschs und der digitalen Zusammenarbeit ist Anonymität eine Möglichkeit, wichtige gesellschaftliche Arbeit zu leisten ohne von restriktiven Strafverfolgungsbehörden aufgegriffen oder verhaftet zu werden. In diesem Kontext soll Cybersecurity nicht die Systeme, Gerät oder Regierungen schützen, sondern private Personen.

 

Mit ihrer Kampagne brachten sie eine Veränderung in der Namenspolitik diverser Sozialer Netzwerke in den Gang. Diesen Erfolg setzte Galperin mit ihrer Kampagne zur Bekämpfung von Stalkerware weiter, die Personen vor sexualisierte Gewalt schützen soll und mit der Gründung der Coalition Against Stalkerware sich auch heute weiterhin dafür einsetzt, die Sicherheit privater Personen ins Zentrum der Cybersecurity zu setzen. Im Fokus all ihrer Arbeit als Hacktivistin stehen für Eva Galperin die Motivation und der Anspruch, Menschen mit technischen Fähigkeiten zu inspirieren, sich mit dem Schutz von gefährdeten Personen und Bevölkerungsgruppen auseinanderzusetzen, Cybersecurity eben dort anzusetzen und bei der Erstellung neuer Technologien diesen Gedanken ins Zentrum zu stellen.

Ein Foto eines Kommentars aus den sozialen Medien
c Lina Michel

Entsprechend beendet Sie Ihren Vortrag mit dem Appell: “Built them for the people at the periphery, and be radicalized!“

 

[1] Kurz für „malicious (bösartige) Software, die die Interessen von Nutzer*innen beeinträchtigen und/oder die infizierten Geräte schädigen